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Project Number
2014-1-DE02-KA204-001579
Freie Lehr- und Lernmaterialien für Bildungseinrichtungen und Professionelle aus dem Bereich Lebenslanges Lernen
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PRINZIPIEN AUFSUCHENDER BILDUNGSBERATUNG IM BEREICH DER ERWACHSENENBILDUNG
Es gibt viele Gründe dafür, warum Menschen bildungs- und lernfern sind. Der kleinste gemeinsame Nenner ist in diesem Zusammenhang gesellschaftliche Ausgrenzung, die auf Hemmnisse, wie zum Beispiel niedrigen Bildungs- und gesellschaftlichen Status, einen Mangel an sozialen Kontakten oder physische und psychische Probleme zurückzuführen ist. Benachteiligte Gruppen sind in allen europäischen Mitgliedstaaten im Bereich der Erwachsenenbildung unterrepräsentiert. Häufig fühlen sie sich aus vorhandenen Lernangeboten ausgeschlossen und wissen beispielsweise nicht, dass es sie gibt oder wie sie an ihnen teilnehmen können.
Auch haben Studien gezeigt, dass es den Bildungseinrichtungen an auf bildungsferne Menschen zugeschnittenen Ansätzen fehlt. In der Erwachsenenbildung herrscht ein Mangel an Wissen hinsichtlich der Entwicklung und Umsetzung von Angeboten, in denen auf die Bedürfnisse benachteiligter Gruppen eingegangen wird. Deshalb ist es unbedingt notwendig, neue Ansätze zu entwickeln und umzusetzen, die die Diversität der Zielgruppen berücksichtigen und im Bereich der Erwachsenenbildung bereits vorhandene Lernprogramme um aufsuchende und zur Selbsthilfe befähigende Elemente ergänzen.
Aufsuchende Bildungsberatung ist eine Methode, mit deren Hilfe benachteiligte Gruppen erreicht und – möglichst unter Einbeziehung dieser Gruppen selbst – zielgruppenorientierte Lernansätze im Bereich der Erwachsenenbildung entwickelt werden können. Es gibt einige Schlüsselprinzipien, die Anbietern von Erwachsenenbildung als Orientierungshilfe bei der Gestaltung effektiver und integrativer Lernangebote dienen können:
Berücksichtigung der Diversität und der spezifischen Probleme und Bedürfnisse benachteiligter Gruppen
Das Aufsuchen benachteiligter Gruppen impliziert bereits, dass die entsprechenden Anbieter von Erwachsenenbildung einen Überblick darüber gewonnen haben, welche Gruppen in ihren Lernangeboten unterrepräsentiert sind. Dies ist jedoch nicht immer der Fall. Es gibt zahlreiche Menschen, die gegenwärtig nicht oder kaum an Lernangeboten teilnehmen und zu denen Geringqualifizierte, Migrant*Innen, Analphabet*Innen, Langzeitarbeitslose, (ehemalige) Strafgefangene, Drogenabhängige oder Menschen mit psychischen Erkrankungen zählen. Alle diese Gruppen haben spezifische Bedürfnisse und teilweise Problemlagen. Sich der Diversität der Zielgruppen und ihrer spezifischen Probleme bewusst zu sein, hilft beim Aufsuchen dieser Gruppen. Bildungsanbieter können sich so ein genaueres Bild davon machen, wo sie die Zielgruppen antreffen, wie sie diese erreichen und in ihre Lernprogramme einbinden können.
Zuhören, was die benachteiligten und unterrepräsentierten Gruppen zu sagen haben
Die Gestaltung aufsuchender Bildungsstrategien ist unauflöslich mit der aktiven Beteiligung der Zielgruppen verbunden. Das, was Personen der Zielgruppen zu sagen haben, was sie wissen und wie sie gewisse Dinge sehen, in die Angebotsplanung miteinzubeziehen, erhöht nicht nur die Erfolgsaussichten und trägt zu besserer Qualität neuer Bildungsangebote bei, sondern steigert auch die Glaubwürdigkeit der Bildungsanbieter und die Teilnahmebereitschaft innerhalb der Zielgruppe. Es gibt zahlreiche Beispiele für aufsuchende Bildungsstrategien, bei denen die Vertreter* Innen der Zielgruppe als Peers, Vermittler* Innen oder Mitarbeitende an aufsuchender Bildungsberatung mitwirken. Zielgruppenbeteiligung hat dabei gleichzeitig den Effekt, dass die unterrepräsentierten Gruppen erreicht und zur Selbsthilfe befähigt werden.
Hemmnisse analysieren und beseitigen
Allein zu wissen, auf welche spezifischen Bedürfnisse der Zielgruppe eingegangen werden muss, führt noch nicht automatisch zu zielgruppengerechten Lernansätzen. Die Bildungseinrichtungen müssen die jeweiligen Hemmnisse, die Menschen von einer Teilnahme an Erwachsenenbildung abhalten, erkennen und analysieren. Hierbei kann es sich um gesetzliche Rahmenbedingungen, fehlende finanzielle Mittel, gesellschaftliche Faktoren oder physische und psychische Hemmnisse handeln. Das Wissen über die genauen Gründe der Ausgrenzung hilft bei der Entwicklung und/oder dem Transfer von Strategien zur Beseitigung dieser Hemmnisse.
Verwenden Sie Leichte Sprache
Ein wesentlicher Bestandteil individueller Lernangebote ist es, diese so verständlich wie möglich zu entwerfen, zu gestalten und auszuführen. Die Verwendung von leichter Sprache ermöglicht die Zugänglichkeit zur Thematik und führt somit zu einem erfolgreichen Lernen. Leichte Sprache unterstützt verschiedene Zielgruppen, z.B. Menschen mit Lernschwächen, Nicht-Muttersprachler, Personen mit Leseschwäche oder auch Demenzkranke. Die folgenden Grundregeln für die kommunikativen Lernprozesse sowie die schriftlichen Lehrtexte und auch die Ankündigungen sollen das Verstehen durch die Lernenden gewährleisten:
➜Verwenden Sie einfache Wörter und vermeiden
Sie die Nutzung von Fremdwörtern.
➜ Versuchen Sie Verben anstelle von Substantiven
zu verwenden.
➜ Schreiben und sprechen Sie in kurzen Sätzen.
➜ Verwenden Sie keine Abkürzungen oder bildliche
Sprache.
➜ Schreiben Sie schlüssig und konkret. Vermeiden
Sie eine abstrakte Sprache.
➜ Vermeiden Sie die Verwendung von hohen
Zahlen und Prozent-Zahlen. Nutzen Sie stattdessen
Vergleiche.
➜ Erschaffen Sie mehrkanalige Auffassungsmöglichkeiten,
verwenden Sie z.B. Bilder,
Piktogramme, etc.
➜ Versuchen Sie Abschnitte und Überschriften
klug einzusetzen.
➜ Abbildungen sollten sich deutlich vom Hintergrund
abheben. Farbige Hintergründe und
Schriftarten sollten sorgsam verwendet werden.
Die Schriftart sollte klar und ausreichend
groß sein.
➜ Testen Sie das zu verwendende Material zuerst
mit tatsächlichen Zielgruppen, bevor Sie
es veröffentlichen. Nur diese können beurteilen,
ob es einfach zu verstehen ist oder nicht.
Aufbau eines Kooperationsnetzwerks
Erwachsenenbildner*Innen sollten sich ein Kooperationsnetzwerk aufbauen, zu dem auch Organisationen und Einrichtungen gehören, die andernfalls nichts mit dem Bildungsbereich zu tun hätten. Dies können Gemeinschaftszentren, Einrichtungen für psychisch Kranke, Basisbewegungen oder soziale Dienste sein. Diese Dienste stehen mit den benachteiligten Gruppen in direktem Kontakt, kennen deren spezifischen Probleme und Bedürfnisse und können beim Aufsuchen der Zielgruppen behilflich sein.
Erwachsenenbildung attraktiver machen
An die breite Öffentlichkeit gerichtete Angebote im Bereich der Erwachsenenbildung sind nicht automatisch auch für bildungsferne Menschen attraktiv. Es kann vorkommen, dass letztere sich aufgrund ihrer gesellschaftlichen Ausgrenzung bei einer Teilnahme unwohl fühlen oder deren genauen Nutzen nicht erkennen können. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, was genau benötigt wird, um Bildung für unterrepräsentierte Gruppen attraktiver zu machen. Hierbei kann es sich um die Aussicht auf eine Teilnahmebescheinigung handeln, oder ganz einfach um die Möglichkeit, anderen Menschen zu begegnen, die sich in einer ähnlichen Situation wie sie selbst befinden. Vorhandene Probleme und Bedürfnisse zu kennen, hilft bei der Gestaltung von Lernangeboten, die von der Zielgruppe angenommen werden und denen Wertschätzung entgegengebracht wird.
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